gamescom 2024: Zwischen Messe-Mythos und Massenmomenten – Der BattleVerseDE Deep Dive

von benjiton am 28. März 2025
Die gamescom 2024 ist Geschichte – und was für eine. Zwischen Retro-Vibes, futuristischer Hardware, Indie-Wunderwerken und bombastischen AAA-Präsentationen war die diesjährige Ausgabe ein wahres Kaleidoskop der Gaming-Welt. BattleVerseDE war natürlich für euch vor Ort und hat nicht nur durch die Messehallen gestreift, sondern auch tiefgehende Gespräche geführt, Titel angespielt und spannende Entwicklungen eingeordnet. Im Zentrum unseres Fokus: der überdimensionale INZOI-Stand mit der ikonischen Riesenkatze, unsere Erlebnisse bei Level Infinite und tiefe Einblicke in die Welt von Warhammer – plus einige queere Verweise auf unsere eigenen Artikel mit Nintendo-Veteranen und einem besonderen Indie-Titel.

Die Messe als Spiegel einer wandelnden Branche

Schon bei der Ankunft war spürbar: Die gamescom 2024 hat sich in vielerlei Hinsicht neu erfunden. Mit über 1.400 Ausstellenden aus 64 Ländern wurde ein neuer Rekord erreicht, was die internationale Bedeutung der Messe einmal mehr unter Beweis stellt. Doch trotz der Rekordzahlen blieben einige Branchengrößen der Messe fern, darunter Sony, Nintendo und stellenweise auch EA. Was zunächst wie ein Rückschritt wirkte, entpuppte sich schnell als Chance: Indie-Studios, Nischenprojekte und kleinere Publisher erhielten mehr Raum, mehr Sichtbarkeit und konnten sich einem aufgeschlossenen Publikum präsentieren.

Die Messe selbst wirkte diverser denn je – sowohl thematisch als auch in der Besucherstruktur. Cosplay, Retro-Gaming, E-Sport, VR, Business – die Vielfalt war greifbar. Besonders auffällig: Der anhaltende Trend zur Hybridisierung von Gaming mit anderen Kulturräumen, etwa durch Panels zu LGBTQ+, Barrierefreiheit, Nachhaltigkeit oder auch Politik im Gaming. Die Spielemesse ist längst mehr als ein Ort, um neue Titel zu zeigen. Sie ist Plattform für kulturelle Diskurse geworden.

Dabei darf man nicht vergessen: Die logistische Herausforderung ist enorm. Die Besucherströme wurden zwar besser geleitet als noch in den Vorjahren, doch ab Donnerstag wurde es eng. Besonders der Boulevard geriet zeitweise zum Nadelöhr – was nicht nur für Besucher:innen, sondern auch für Fachbesucher:innen mit engen Terminplänen zum Problem wurde. Die Veranstalter reagierten mit temporären Umleitungen und verstärkter Personalpräsenz, doch der wachsende Andrang zeigt klar die strukturellen Grenzen auf.

Ein weiterer Kritikpunkt: die stetig steigenden Preise. Hotelzimmer in Köln zur Messezeit erreichen inzwischen absurde Höhen, das gastronomische Angebot auf dem Gelände bleibt qualitativ durchwachsen – trotz gesalzener Preise. Hier besteht nach wie vor Verbesserungspotenzial.

Und dennoch: Die Atmosphäre war inspirierend. Vor allem im Indie- und Retrobereich begegneten wir Entwickler:innen, die mit Herzblut über ihre Projekte sprachen. Es wurde nicht nur verkauft, sondern erzählt. Die gamescom war auch 2024 ein Ort, an dem Communitys zusammenkommen, an dem neue Ideen entstehen und an dem die Leidenschaft für das Medium Spiel in allen Facetten gelebt wird.

INZOI und Level Infinite – Wo die Messe pulsiert

Einer der imposantesten Auftritte der gesamten Messe war zweifellos der Stand von INZOI. Nicht nur aufgrund der überdimensionalen Katze, die als gigantische, begehbare Skulptur mit LED-Augen für Aufsehen sorgte, sondern wegen der atmosphärischen Inszenierung eines Spielkonzepts, das gleichzeitig geheimnisvoll und verspielt wirkte. INZOI vereint soziale Simulation mit kreativer Freiheit und scheint in eine Lücke zwischen "The Sims" und "Animal Crossing" zu stoßen. Was uns hier faszinierte, war nicht nur das Design, sondern auch die subtile Präsentation eines Spiels, das vor allem auf Community und Kreativität setzt. Entwickler:innen nahmen sich Zeit, erklärten Gameplay-Philosophien, diskutierten Aspekte der sozialen Interaktion im Spiel und präsentierten dabei eine fast philosophische Perspektive auf digitales Leben. Der Buzz war real, und nicht nur für Instagram.

Der Stand selbst war weit mehr als Show: Er war Begegnungsstätte, Gesprächsraum und ästhetische Installation in einem. Kinder posierten vor der riesigen Katzenstatue, Erwachsene diskutierten mit Entwicklern über Spielmechaniken, Content Creators suchten nach dem besten Winkel für ihr Thumbnail. Der gesamte Auftritt war bewusst auf Erlebnis ausgerichtet, mit klarem Fokus auf soziale Teilhabe und Interaktivität. Es zeigte sich: INZOI ist nicht nur ein Spiel, sondern ein sozialer Raum, der digitale Gegenwart und Zukunft verbindet.

Direkt daneben unser zweites Zentrum der Aufmerksamkeit: Level Infinite. Hier verbrachten wir deutlich mehr Zeit als geplant – aus gutem Grund. Die Tencent-Marke, die unter anderem Titel wie "Tower of Fantasy", "Undawn" oder das kommende "Assassin's Creed Jade" verantwortet, hat ihre Präsenz 2024 auf ein neues Level gehoben. Nicht bombastisch, sondern effizient, klar kuratiert, mit Fokus auf Hands-on, Austausch und direkte Community-Einbindung. Dabei wurde besonders deutlich, dass Level Infinite nicht nur Spiele zeigt, sondern Erlebnisse schafft. Die Designphilosophie: Spieler:innen sollen nicht nur zocken, sondern verstehen, erleben, mitgestalten.

Besonders herausgestochen ist das interne Showcase für Medienvertreter:innen. In einer abgeschirmten Zone durften wir exklusive Spielszenen sehen, Entwickler-Interviews führen und uns in entspannter Atmosphäre durch das neue Line-up spielen. Dabei war nicht nur das Gezeigte beeindruckend, sondern auch die Haltung dahinter: Transparenz, Offenheit und das ehrliche Interesse am Dialog mit Presse und Community. So wurde etwa bei "Assassin's Creed Jade" ausführlich über die Herausforderungen gesprochen, eine mobile Erfahrung mit Konsolenqualität zu erschaffen – und über die ethischen Fragen rund um Monetarisierung und Spieltiefe.

Ein weiteres Highlight war der Austausch über geplante Erweiterungen und Community-Events rund um "Undawn" und "SYNCED". Hier wird aktiv auf Feedback gehört, und das merkt man. Kleine Details wie optimierte Steuerung, neue Balancing-Ansätze oder frische Story-Elemente zeugen davon, dass die Entwickler:innen nicht einfach Inhalte liefern, sondern Erlebnisse pflegen wollen. Auch abseits der großen Titel überzeugte Level Infinite mit einer klugen Auswahl an Indie-Kooperationen und einer klaren Vision: Qualität statt bloßem Spektakel.

Warhammer, Vermintide & Darktide – Updates mit Wucht

Ein besonderes Highlight für BattleVerseDE waren die Gespräche rund um die Warhammer-Titel, insbesondere "Vermintide 2" und "Warhammer 40K: Darktide". Beide Spiele erhielten kurz vor bzw. während der gamescom massive Updates, die das Gameplay teils gründlich umkrempeln.

Bei Vermintide 2 wurde die Klassenstruktur überarbeitet und das Loot-System angepasst. Fans der ersten Stunde dürfen sich über mehr Build-Vielfalt und motivierende Endgame-Inhalte freuen. In Entwicklerkreisen hörten wir gar, dass diese Updates als "Neustart" intern gehandhabt werden. Es zeigt sich: Auch ein Spiel, das seit Jahren auf dem Markt ist, kann durch Community-Feedback und kontinuierliche Weiterentwicklung neue Höhen erreichen.

Noch spannender war unser Termin zu Warhammer 40K: Darktide. Der Coop-Shooter hatte beim Launch mit technischen Problemen und Balancing zu kämpfen, präsentiert sich jetzt aber in Bestform. Das neue Zonen-System, deutlich optimierte Performance und verbesserte Missionen bringen frischen Wind in das dystopische 40K-Universum.

Entscheidend ist hier: Die Entwickler hören zu. Spieler-Feedback fließt spürbar in Designentscheidungen ein. Die Warhammer-Marke ist 2024 nicht nur ein Fan-Service, sondern ein lebendiges, wandelbares System – und genau das, was die Community will.

Queerverweise & die Seele der Messe

Während viele sich auf große Trailer stürzen, haben wir bewusst die leisen, aber bedeutenden Töne der Messe gesucht. In unserem Interview mit Takaya Imamura und David Wise, zwei Legenden der Nintendo-Ära, das ihr hier nachlesen könnt, ging es nicht nur um Retrospiele. Es ging um Kultur, Identität und die Übertragbarkeit von Spielideen über Generationen hinweg. Der Einfluss dieser Ikonen auf moderne Entwickler:innen ist auf der Messe an jeder Ecke zu spüren.

Ebenso besonders war unser Anspielbericht zu Urban Myth: Dissolution Center, den ihr hier findet. Der Titel besticht durch narrative Tiefe und eine surreale Spielwelt. Ein klarer Kontrast zur massentauglichen Action vieler großer Publisher, aber genau dadurch ein Highlight.

Zusätzlich empfehlen wir unseren kompakten Überblicksartikel zur Messe mit den wichtigsten Trends und Highlights, den ihr unter diesem Link findet. Wer auf der Suche nach einem schnellen Einstieg in die wichtigsten Themen und Beobachtungen der gamescom 2024 ist, findet dort eine passende Zusammenfassung.

Solche Momente erinnern daran, dass die gamescom mehr ist als Buzzwords. Sie ist ein kulturelles Forum. Wo Diversity nicht bloß ein PR-Stempel ist, sondern erlebbar wird. Trotzdem bleibt Luft nach oben: Themen wie Inklusion – etwa beim Zugang für Eltern mit Kleinkindern – zeigen, dass noch nicht alles rund läuft. Und dennoch: Der Wille zur Veränderung war deutlich spürbar.

Fazit & Ausblick – Zwischen Kult und Kommerz

Die gamescom 2024 war ein Spagat. Zwischen Mainstream und Nische, zwischen Hype und Haltung, zwischen Kommerzialisierung und Community. Sie war in vielerlei Hinsicht ein Erfolg – nicht trotz der Abwesenheit von Sony und Co., sondern gerade wegen der neuen Offenheit für andere Stimmen.

Titel wie "Avowed", "Little Nightmares 3" oder "Kingdom Come: Deliverance 2" zeigten, dass auch große Produktionen weiterhin Relevanz haben, solange sie Neues wagen. Gleichzeitig bewiesen Spiele wie "Squirreled Away", "Dinolords" oder "Bonaparte", dass Charme, Idee und kreative Tiefe mehr sind als eine Frage des Budgets.

Was bleibt, ist die Erinnerung an ein Event, das seine Rolle in der Post-E3-Realität neu definiert. Nicht als reine Produktplattform, sondern als Ort des Austauschs. Für uns bei BattleVerseDE war die Messe nicht nur ein Pflichttermin, sondern ein inspirierendes Erlebnis. Und während wir diese Zeilen schreiben, läuft schon der Countdown zur gamescom 2025. Wir sehen uns dort.